Inhalt anspringen
Zurück zur Homepage
Leuchtende Vorbilder

Rudolf Otto, 1910 – 2004

Porträtzeichnung von Rudolf Otto
Porträtzeichnung von Rudolf Otto

Vorgeschlagen von ...

Matthias J. Meckert, 2010:

„Hiermit schlage ich Herrn Rudolf Otto zur Nominierung als leuchtendes Vorbild der Stadt Rüsselsheim vor.

Biographische Angaben:
Herr Rudolf Otto wurde am 20. März 1910 in Frankfurt am Main geboren und übersiedelte 1952 aus Berlin nach Rüsselsheim. Er war von 1952 bis 1975 Leiter des städtischen Hochbauamtes. In diese Zeit fielen bedeutende Nachkriegsbauten und Planungen wie das Stadttheater oder die Entwicklung des Stadtteils Haßloch-Nord, die seine Handschrift tragen. Zum Hochbauamt gehörten seinerzeit das Stadtplanungsamt und die Bauaufsicht auch über alle Werkserweiterungen bei Opel. In den Anfangsjahren führte er auch das Tiefbauamt und plante die lnnenstadtunterführung, die dazu beitragen sollte, die Teilung der Stadt durch die Bahnlinie Mainz-Frankfurt zu überwinden.

Rudolf Otto, der nicht nur Architektur (u.a. bei Prof. Gruber, dem Architekten des Rüsselsheimer Rathauses und der heutigen Marktplatzgestaltung) studiert hatte, sondern auch Kunstgeschichte, war es ein Anliegen, Kunst am Bau zu fördern. Beispiele hierfür sind das Kant-Denkmal von Knud Knudsen vor der Immanuel-Kant-Schule (Gymnasium), das auch von Rudolf Otto geplant wurde, das Porträt Gerhart Hauptmanns von seinem Sohn lvo, das im Lehrerzimmer der gleichnamigen Schule hängt, die Ausgestaltung der Friedhofskapelle am Waldfriedhof und des Theaterfoyers durch Dieter Ritzert oder die ,Schlafende Muse' von Auguste Rodin im Treppenaufgang des Theaters.

Auch nach seiner Pensionierung blieb Herr Otto dem städtischen Gemeinwesen als langjähriger Vorsitzender des Denkmalschutzbeirates verbunden. 1985 erschien sein Buch ‚Baukräne über Rüsselsheim‘ über die Rüsselsheimer Aufbaujahre. Er publizierte auch über Kunstdenkmäler und Kunst am Bau in Rüsselsheim, und europäische Reiterdenkmäler. Herr Otto war langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der Europa-Union und Gründungsmitglied des Lions-Club. Herr Otto war immer parteipolitisch ungebunden. Er verstarb 94-jährig am 8. April 2004.

Begründung:
Wie kaum ein anderer hat Rudolf Otto die bauliche Gestaltung Rüsselsheims nach dem Krieg geprägt. Sein größter Entwurf ist wohl das städtebauliche Konzept von Haßloch-Nord, das meines Erachtens auch heute noch überzeugt: Eine Mischung von verschiedenen Wohnstrukturen (Einfamilienhäusern und gering verdichteter Geschoßwohnungsbau) und damit verschiedenen Bevölkerungsgruppen, angeordnet um ein Nahversorgungszentrum, besticht auch noch 2010 – und ist bedingt durch seine kurzen Wege eigentlich ein Anachronismus in einer Zeit, der man sonst gerne unterstellt, sich unter der Prämisse der „autofreundlichen Stadt" zu entwickeln. Von der Überschreitung des menschlichen Maßes in der Architektur, wie später im Dicken Busch II erfolgt, hat er sich zeitlebens distanziert. Die übermäßige Verdichtung in diesem Viertel sei ihm von politischer Seite aufgezwungen worden, ließ er sich hierzu zitieren.

Herr Otto trug die Verantwortung für ein Hochbauamt, das Bauaufgaben noch selbst und durchaus mit Bravour bewältigte und nicht externen Fachleuten übertrug. Das von seinem Mitarbeiter (und Scharoun-Schüler) Dietrich Hirsch geplante Stadttheater aus dem Jahre 1969 ist dafür das beste Beispiel und sicherlich das beste Stück
Rüsselsheimer Nachkriegsarchitektur. Die damals sicher gewagten Anleihen bei Scharoun sind nicht zu übersehen, die Linienführung klar und bestechend - ein echter Klassiker.

Viele Kindergärten, Schulen, das Altersheim am Ostpark, zahlreiche Sportanlagen wie das Stadion mit seiner damals zukunftsweisenden Doppeltribüne, das Hallen- und Freibad an der Lache und die Walter-Köbel-Halle, sind bauliche Zeugen seines gestalterischen Willens, der geprägt ist von einem sachlichen Stil und dem Einsatz klarer Werkstoffe.
Leider haben nicht alle seiner Bauten spätere ‘Modernisierung‘ stilistisch überlebt.

Herr Otto sollte aber auch deshalb den Rüsselsheimern ein Vorbild sein, weil er als Selbstverständlichkeit etwas getan hat, was heute leider nicht mehr selbstverständlich ist: Er hat in dem ihm übertragenen öffentlichen Amt nicht nur seine Pflicht getan, sondern hat mit Leidenschaft und hohem Qualitätsanspruch dem Gemeinwesen gedient.
Ein sicheres Stilempfinden, aber auch eine intellektuell überzeugende konzeptionelle Kraft prägen sein Wirken. Und obwohl kein Rüsselsheimer identifizierte sich Otto mit seiner Wahlheimat und wohnte seit 1952 in Rüsselsheim. Als (ehrenamtlicher) Vorsitzender des Denkmalschutzbeirates wirkte er noch lange bewahrend in das Stadtbild, auch wenn er sich (leider) mehrfach z.B. bei der Festung nicht durchsetzen konnte. Rüsselsheim wäre sicher das ein oder andere städtebauliche Vergehen erspart geblieben, wenn sich sein Fachverstand noch häufiger durchgesetzt hätte. Sein ‚leuchtendes Vorbild‘ an der Wand des Ratssaals wäre daher Vorbild und Mahnung zugleich für die heute handelnden Personen in Politik und Verwaltung, die dort unter den unseren Vorbildern tagen.

Eine Berufung von Rudolf Otto bietet aber auch zugleich die Chance, den diskursiven Charakter der Arbeit „leuchtende Vorbilder" von Vollrad Kutscher zu betonen, der von Kutscher ausdrücklich gewollt ist. Das Wirken von Otto ist für uns, für die Gegenwart relevant - nicht nur, weil wir als Rüsselsheimer tagtäglich in seinen Entwürfen leben und sicherlich auch nicht alle seiner Projekte unstreitig sind. Gerade die aktuell notwendige Auseinandersetzung mit einer überdimensionierten städtischen Infrastruktur und ihrem Rückbau erfordern eine vertiefte Betrachtung der Nachkriegsplanungen, um zu erkennen, welche Konzepte und Gebäude aus dieser Zeit auch heute noch funktionieren und bewahrenswert sind, und wo die Generation Otto (meist jedoch ihre Nachfolger)
irrte.“

Verwandte Themen

Porträtzeichnung von Willi Bender
Leuchtende Vorbilder

Willi Bender, 1913 – 1999

Porträtzeichnung von Wilhelmine Verna
Leuchtende Vorbilder

Wilhelmine von Verna, 1803 – 1878

Porträtzeichnung von Friedrich Meister
Leuchtende Vorbilder

Friedrich Meister, 1909 – 2007

Kunstaktion "Einen Bogen spannen mit Leuchtenden Vorbildern" - Installation im Ratssaal des Rathauses
Kultur

Leuchtende Vorbilder

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise