Dr. Julius Simon wurde am 25. März 1902 in Unter-Schönmattenwag (Odenwald) geboren und kam 1933 als Lehrer an die Rüsselsheimer Realschule, die spätere Immanuel-Kant-Schule. Als Lehrer für Deutsch, Englisch und Philosophie verstand er Pädagogik stets als moralische Aufgabe. Während des NS-Regimes trat er trotz wiederholten Drucks nicht in die NSDAP ein und bewahrte sich damit persönliche Integrität. Seine innere Gegnerschaft zum Regime blieb nicht folgenlos: seine Beförderung verzögerte sich über Jahre.
In den letzten Kriegsmonaten bewies Dr. Simon außergewöhnliche Zivilcourage, als er einen ehemaligen Schüler, der desertiert war, in seinem Elternhaus im Odenwald Unterschlupf gewährte und ihm so womöglich das Leben rettete. Dieser Schüler war der spätere Maler Diether Ritzert, der 1986 mit dem ersten Kulturpreis der Stadt Rüsselsheim ausgezeichnet wurde. Ritzert bedankte sich später mit einem großformatigen Gemälde bei seinem einstigen Lehrer.
Nach Kriegsende wurde Julius Simon als unbelasteter Pädagoge wieder für den Schuldienst zugelassen. Er setzte sich für den Wiederaufbau seiner Schule ein, wurde 1949 zum Schulleiter ernannt und machte das „Realgymnasium“, wie es ab 1946 hieß, zu einem Ort der Bildung, Kultur und Demokratie. Er förderte die Gründung einer „Schülermitverantwortung“ sowie einer Schülerzeitung und setzte sich mit Nachdruck für die Integration von Geflüchteten und Vertriebenen in die Schulgemeinschaft ein. 1956 initiierte er die Umbenennung in „Immanuel-Kant-Schule“, um den Geist der Aufklärung und der Vernunft bewusst gegen das Gedankengut der Diktatur zu stellen.
Als engagierter Mitgestalter der Rüsselsheimer Bildungslandschaft trieb Julius Simon auch den Neubau der Max-Planck-Schule voran, unterstützte die Gründung einer Realschule und des Hessenkollegs. Er war überzeugt, dass Bildung die Grundlage für ein friedliches, verantwortungsbewusstes Zusammenleben bildet. Seine Jahresberichte dokumentieren nicht nur das Schulleben, sondern auch den gesellschaftlichen Wandel der Nachkriegszeit.
Neben seiner pädagogischen Arbeit war Simon auch Wissenschaftler und Lokalhistoriker. Seine Dissertation über den Philosophen Ralph Waldo Emerson wurde 1937 veröffentlicht – ein Werk, das sich der Idee individueller Freiheit und moralischer Selbstbestimmung widmet und damit den Kern seines Denkens spiegelt. Später publizierte er kulturhistorische Texte über seine Heimat Unter-Schönmattenwag und zur Entwicklung Rüsselsheims.
Im Juli 1967 wurde Julius Simon in den Ruhestand verabschiedet. Er verstarb am 10. März 1971. Sein Grab ist auf dem Rüsselsheimer Waldfriedhof zu finden. Ehemalige Schüler – darunter der Schauspieler Walter Renneisen – erinnern sich an ihn als „Philosophen, großen Pädagogen, menschlich einwandfrei und gütig“.
Mit der Ehrung von Dr. Julius Simon als Leuchtendes Vorbild würdigt die Stadt Rüsselsheim am Main das Lebenswerk eines bedeutenden Pädagogen, der in schwierigen Zeiten Haltung bewahrt und der Nachkriegsgesellschaft Werte vermittelt hat, die bis heute Orientierung geben. Die nun erfolgte Ehrung beruht auch auf der akribischen Forschungs- und Vermittlungsarbeit des IKS-Lehrers Dr. Franz Horváth, der das Leben und Wirken von Dr. Julius Simon in Publikationen und Veranstaltungen aufgearbeitet, dokumentiert und der Stadtgesellschaft zugänglich gemacht hat.





